Ich hab doch nichts zu verbergen!
„Ich hab doch nichts zu verbergen.“
Diesen Satz höre ich eigentlich fast immer, wenn das Thema auf die persönlichen Daten im Netz kommt. Egal ob ich etwas bestelle oder ich mich anmelde… Blogs, Foren, Facebook oder WhatsApp, immer werden Name, Adresse, Nummern abgefragt, man kann seine Kontakte aus dem Adressbuch immigrieren und sein Geburtsdatum hinterlegen.
Soweit so gut. Ich hab ja nichts zu verbergen.
Ich vertraue den Unternehmen, egal ob national oder international, meine Daten an und gehe davon aus, dass meine Daten sicher sind und natürlich nicht weitergegeben werden. Auch das nehmen wir jetzt einfach mal so hin und glauben den Aussagen und der Technik. Auch nutzen wir natürlich für jede neue Anmeldung ein anderes und sicheres Passwort.
Vertrauen und Sicherheit sind ja wichtig.
Sobald mit den Daten „Schindluder“ getrieben wird, erfahre ich das ja über die Presse, Freunde oder den Sozialen Medien, siehe den letzten Facebook Skandal oder WhatsApp Hack. Ich hab ja nichts zu verbergen und ändere einfach mein Passwort, teile meinen Frust und schon ist wieder alles in Ordnung. Das Unternehmen entschuldigt sich, gelobt Besserung und wir freuen uns, schon ist alles vergessen und gut.
Was aber, wenn meine Daten an Institutionen geraten oder angefordert werden, die eine andere Auffassung als der eigenen sind? Oder gar eingefordert werden und sei es nur, um ein paar Bonuspunkte zu sammeln. China macht’s vor: digital totalitär. Hab ich dann wirklich nichts mehr zu verbergen? Ist es dann noch okay, wenn ich meine politische Meinung im Netz frei äußere? Ich im Ausland Produkte bestelle? Einen Diesel fahre?
Natürlich hab ich nichts zu verbergen, aber muss ich wirklich alles im Netz teilen und muss ich zu jeder Behauptung eine Meinung haben und diese sofort per Kommentar kundtun? Ich hab ja nichts zu verbergen und es ist mein gutes Recht! Richtig, und das soll auch so bleiben. Daher ist es um so wichtiger, dass wir nicht jedem Trend, der aus Ost oder West zu uns herüberschwappt, sofort blind folgen und jede angenehme „Verbesserung“ adaptieren. „Melde Dich einfach mit deinem Facebook Account an.“ „Siri, mach bitte das Licht an.“ „Alexa, bestell mir bitte ein paar Socken“ und „Netflix zeig mir die neue Folge von Better call Saul…“, um nur vier Unternehmen zu nennen, die fast alles über mich wissen, täglich von mir neues erfahren und noch nicht staatlich kontrolliert werden, außer eventuell durch die NSA.
Wie werden meine Daten genutzt, wenn wir einfach mal die Hypothese aufstellen, eines dieser Unternehmen geht pleite und muss vom Staat gerettet werden, ähnlich wie bei der Bankenkrise. Oder wenn das insolvente Unternehmen von einem chinesischen Unternehmen übernommen wird, das sich dem Sozialkreditsystem verschrieben hat.
Ich hab immer noch nichts zu verbergen!
Aber evtl. steigen meine Versicherungsbeträge, ich habe es schwerer, einen Kredit zu beantragen, eine Wohnung zu finden. Produkte kann ich nur gegen Aufpreis bestellen. Bestimmte Informationen werden mir vorenthalten oder entsprechen nicht der Wahrheit.
Ein düsteres Bild, etwas weit hergeholt und doch nicht so fern, wenn wir doch schon heute, als Endkunde und „Normalo“ ohne Probleme online einkaufen können, egal ob in China oder den USA. Wenn wir ohne lange zu überlegen – außer die Transportkosten sind zu hoch – dort unsere persönlichen Daten hinterlegen, mit Paypal bezahlen und nur warten, dass DHL oder UPS klingeln.
Auf der anderen Seite sind wir sehr vorsichtig, schließen die Haustür mindestens zweimal ab, bewahren unsere wichtigen Dokumente im Safe auf, lassen niemand fremdes rein und gehen nicht ans Telefon, wenn die Nummer unterdrückt ist. Unsere EC Pin wird auswendig gelernt und niemals weitergegeben. Wir wollen ja nicht, dass jemand mit den Daten Unfug treibt. Aber im Netz?
Im Netz hinterlasse ich mit jedem Klick und mit jeder Eingabe eine lange, lange Spur, die jederzeit und fast unendlich nachverfolgt werden kann.
Jedes der genannten Unternehmen weiß mehr über mich, als meine Eltern, vertraute Freunde und Weggefährten.
Will ich das? Ja klar! Weil es das Leben einfacher, schneller und angenehmer macht.
Macht ja sowieso jeder und…
Ich hab ja nichts zu verbergen! Wirklich?